Sonntag, 8. Juni 2014

Gefunden 1

Da sind zunächst einmal die „Parteien“. Hier die USA, NATO, die EU und die Übergangsregierung in Kiew, dort russische Separatisten und Russland. Das Reich der Finsternis ist dabei ganz klar Moskau, wo ein Despot regiert, dem jedes schmutzige Mittel Recht ist, um Russland wieder zur Großmacht zu führen und das alte Imperium wiederherzustellen. Hier, im Reich des Lichts, geht es hingegen um Demokratie, Wohlstand und Menschenrechte, um die guten Werte an sich. Auf der anderen Seite verhält es sich, wie sollte es auch anders sein, spiegelverkehrt anders herum, nur die diskursiven Selbstverständnis- und damit Begründungsmuster variieren.

Beide zusammen verfügen übrigens über 90 Prozent aller atomaren Waffen in der Welt und bedecken den größten Teil der Nordhalbkugel des Planeten. Auf beiden Seiten werden zunächst einmal die Beweise für die Aggression der jeweils anderen Seite gesammelt. Für ein – wiewohl nur schwer vorstellbares – „Nachher“ muss gesichert sein, wer die Schuld gehabt haben wird (Futurum II: die abgeschlossene Zukunft).

Irgendwo im Abendprogramm des Kultursenders 3 Sat kommt dann auch einmal die Wirklichkeit zu Wort, in Persona des Philosophen und Ästhetikprofessors Bazon Brock: „Wirklichkeit ist nur das, worauf wir keinen Einfluss mit unserem Belieben haben.“ Die eine Seite kann die jeweils andere also nicht ändern, es liegt nicht in deren Belieben. Das ist also die Wirklichkeit. Was aus solch einer Erkenntnis folgen könnte, wäre: Politik.

Und damit wären wir auch schon beim Punkt eines stetig wachsenden Unbehagens. Plötzlich erscheinen erfahrene Politiker wie Helmut Schmidt, Gerhard Schröder oder Helmut Kohl mit ihren Mahnungen als Außenseiter in einem öffentlichen und medialen Diskurs, der sich weitestgehend der wirklichkeitsfremden Erzählung vom Guten und Bösen hingegeben hat. Sie stören nur beim Sammeln der Beweise.

Von Robert Zion, Anfang Mai 2014
 

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen