Mittwoch, 16. Juli 2014

Politik 10

Konsequent ist, auch Holzwege zu ende zu gehen.

Dieser Devise folgt einmal mehr die Ostpolitik der Europäischen Union, welche ihren neuen vorläufigen Höhepunkt auf dem kommenden Sondergipfel der europäischen Staats- und Regierungschefs.

Konkret sollen nun die Sanktionen gegenüber der Russischen Föderation ausgeweitet werden. Zukünftig sollen auch russischen Unternehmen vorhandene Konten in der EU gesperrt, und EU-Firmen Geschäfte mit diesen Unternehmen verboten werden.
Dies bedeutet zugleich aber auch das Eingeständnis, das die bisherigen Sanktionen wirkungslos geblieben sind. Zu den relevanten Zeitpunkten gaben ja auch größere deutsche Konzerne bekannt, keine Veränderung in ihren geschäftlichen Ausrichtungen betreffend Russland realisieren zu wollen.
Wo Einsicht in die Linie von EU und NATO also ausgeblieben ist, soll nun Zwang wirken.
Inwiefern derlei Anordnungen aber später vor Gerichten Bestand haben können sei dahingestellt - das Primat des Shareholdervalue über Politik ist ja eine spezifisch westliche "Errungenschaft".

Die Begründung liest sich nur auf den ersten Blick bekannt. "Brüssel reagiere damit auf das Verhalten Moskaus in der Ukraine-Krise." meldet SPON.
Das glaubt man schon gehört zu haben, aber steckte hinter der Formulierung vor einiger Zeit noch die (mittlerweile nicht mehr aufrecht gehaltene) Behauptung, der Kreml "agiere" in der Ostukraine, ist nun das Gegenteil die Ursache für den Unwillen Brüssels.
"Moskau wirke weder öffentlich sichtbar auf die Separatisten in der Ostukraine ein noch sorge Russland für eine effektive Grenzüberwachung, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert in Berlin."

Waren zuvor also immer noch nicht konkretisierte Aktionen Moskaus auf ukrainischem Territorium Ursache für Sanktionen, werden diese nun aufgrund von ausbleibenden Aktionen verschärft.

Natürlich ist sowohl Steffen Seibert als auch jedem europäischen Staats- und Regierungschef bekannt, das Moskau aus innenpolitischen Gründen die entsprechenden Forderungen Brüssels nicht erfüllen wird - und aufgrund der Faktenlage nicht erfüllen kann.

Denn wie das Vorhandensein der sogenannten "prorussischen" Separatisten verdeutlicht, sind die Einflußmöglichkeiten externer Staaten in den ukrainischen Bürgerkrieg begrenzt.
Der Begriff "prorussische Separatisten" ist dabei auch nicht hilfreich. Russischstämmige Ukrainer wäre der passende Begriff, und ihre Ziele sind überwiegend nicht diffus prorussisch, sondern im Gegenteil sehr ostukrainisch - Schutz ihrer Minderheitenrechte und mehr Föderalismus statt Zentralismus - letzteres übrigens primäres Anliegen der ersten Demonstranten auf dem Maidan.

Russland und russische Interessen, sind längst durch den Schulterschluss von Rinat Achmetow mit der Regierung in Kiew gesichert. Man bringt nicht den Finanzier der zuvor gestürzten Regierung ohne Gegenleistung auf seine Seite.
Damit ist aber auch der Kreml raus aus der Geschichte - und hat den Kredit in der aufgebrachten ostukrainischen Bevölkerung verspielt.
Der russische Bär kann nur auf die Ostukraine einwirken wenn er auf die Ostukraine einwirkt. Ein Einwirken das inhaltlich dem Einwirken zuwider läuft ist eine Absurdität. Einfluß ist nicht statisch, er unterliegt dem Einfluß der Rahmenbedingungen.

Die EU täte gut daran einzugestehen, das die Resultate ihrer Kiewer Intervention nicht fähig sind, die durch den Umsturz hervorgerufenen innenpolitischen Probleme zu lösen.
Erkannt haben sie das bereits, denn die Verschärfung von Sanktionen und die Schuldzuweisung Richtung Moskau dient nur einem Zweck - Zeitspiel.

Geopfert wird dafür weiterhin der erodierende Rest glaubwürdiger Osteuropapolitik und diese Entwicklung findet seinen Durchsatz auch in der Zivilbevölkerung.
Denn, Weltmeister wie wir sind, glauben wir ja gerne, in einem Haufen tumber nationalistischer Russen befänden sich zu befreiende Minderheiten der Intelligenz. Je besser informiert oder gebildet, desto eher würden sie dem westlichen Gesellschaftsmodell zuneigen.

Ein Trugschluß.
Selbst IT Leute aus Universitätsstädten wie Irkutsk solidarisieren sich derzeit mit ihrer Nation. Zusammenrücken ist eine sehr typische Reaktion auf als ungerechtfertigt empfundene Aggression.

Europa folgt konsequent der Tradition der Abgrenzung zum östlichen Nachbarn, und zwar vollumpfänglich, und nicht auf eine spezifische russische Administration beschränkt.
Dies sicherlich zum Wohlgefallen des westlichen Nachbarn hinterm großen Teich.
Dessen Freundschaftsdienste wie Ausspionierung parlamentarischer Ausschüsse wird derzeit mit der sechsten Runde der Gespräche zum geplanten Freihandelsabkommen belohnt.


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