Mittwoch, 2. Juli 2014

Realitäten 10

Reden wir mal über Steam.

Steam hat zweifellos einige segensreiche Vorzüge, besonders wenn man Computerspiele auf einer anderen Plattform als auf Microsofts Windows spielen möchte.
Grundsätzlich ist der Umstand das die Valve Corporation auch auf LINUX als Spieleplattform setzt, sicher positiv zu bewerten. Und dabei spielt es keine Rolle das der Hintergrund dieser Entscheidung ganz offenkundig einfach die versuchte Schaffung eines neuen, z.T. noch restriktiveren Monopols ist, als es die Microsoft Welt ohnehin schon war - denn natürlich ist Valve kein Unternehmen wie beispielsweise Canonical, das irgendwelche progressiven gesellschaftlichen Ziele verfolgt, sondern eher schon ein profitorientiertes Unternehmen welches versucht, in dem Spannungsfeld von Unselbstständigkeit und Handlungsdruckgefühl von Konsumenten, ein ertragreiches Geschäftsmodell zu entwickeln.

Das ist prinzipiell natürlich erst einmal kein Problem, sofern dem Konsumenten die Möglichkeit geboten würde, das Für und Wider seiner Konsumentscheidung abzuwägen.
Doch hier liegt der Hase im Pfeffer. Kaum jemandem ist die tatsächliche Bedeutung des Erfolgs von Valves Geschäftsmodell wirklich bewusst, dabei geht es doch auch hier einmal wieder um eine der ältesten Fragen unserer Gesellschaft - die Eigentumsfrage.

Ein Recht das nur für einen Teil funktioniert, indem es dasselbe Recht für die Anderen beschneidet, ist eine Absurdität, die keinesfalls unter freiheitlichen oder gar demokratischen Gesichtspunkten aufgelöst werden kann.
Wenn die Rechte am eigenen Eigentum nur gewährleistet werden können, indem die Rechte Anderer an ihrem Eigentum beschnitten werden müssen, dann hat genau genommen niemand wirkliche Rechte an Teilen seines Eigentums.

Unsere Gesellschaft löste dieses Problem bisher mit dem Zwang des Faktischen. Die Hersteller von Suppenlöffeln konnten bisher großzügig darüber hinwegsehen, wenn ein Suppenlöffelbesitzer auf die Idee kam, sein eigenes Exemplar nachzubauen.
Ihm fehlten schlichtweg die Produktionsmittel um derlei in einem akzeptablen Zeitraum mit akzeptablen Ergebnis zu bewerkstelligen.

Das sieht heutzutage mit Software anders aus. Prinzipiell besitzt Jeder heutzutage mit seinem Rechner eine Fabrik die theoretisch in der Lage wäre, ein exaktes Replikat einer erworbenen digitalen Ware herzustellen.

Eine Frage deren Erledigung sich aufgrund der Faktenlage niemals stellte, oder besser gesagt, deren unbefriedigende Beantwortung der Großteil aller Menschen hinnehmen musste, stellt sich wegen den veränderten Rahmenbedingungen aufs Neue.

Die Hersteller/Vertreiber von Software reagierten darauf erst einmal wie man es gewohnt ist - mit Zwang und Entrechtung. Kopierschutzmaßnahmen, Sicherheitsabfragen, Registrierungen hatten einzig und allein die Aufgabe, dem Eigentümer der Software die vollständige Ausübung seines Eigentumsrechts zu verweigern - begründet mit dem Eigentumsrecht des Herstellers.

Der weitere Geschichtsverlauf macht deutlich, das es zu dieser (durchaus überspitzten) Deutung eigentlich keine zwei Meinungen geben kann, denn nicht umsonst hat die Industrie von dieser Praxis schon wieder Abstand genommen.

Heute, so wird versucht weiszumachen, besitzt man die Software überhaupt nicht, sondern angeblich nur ein wie auch immer geschneidertes Nutzungsrecht.
Über das Geschäft mit dem Diffusen, den Softwarelizenzen, könnte man sicher einmal einen eigenen Beitrag verfassen.

Fakt ist, das diese Behauptung nicht der Wahrheit entspricht.
Software auf einem Rechner ist vorhanden und eine etwaige Kopie, konkretisiert in magnetischen Abdrücken auf einem Datenträger, ist kein wie auch immer ermogelter Diebstahl, sondern ein Herstellungsprodukt aus eigenen Ressourcen (Produktionsmittel und Energie), ein Abpausen wenn man so will.
Das vermeintliche Handelsgut hingegen, die Lizenz, findet sich stofflich meistens eher gar nicht.
Umgesetzt wird diese einseitige Betrachtung von Eigentum wieder, wie könnte es anders sein, über Zwang.

Nun wird argumentiert, das dies ja gar kein Zwang sei, sondern eine einvernehmliche Regelung zwischen Anbieter und Konsument. Dem ist aber nicht so. Der Konsument ist in den allermeisten Fällen der Ansicht, er erwerbe eine Software, und der Anbieter tut seinerseits sein Möglichstes um den Konsumenten in dem Glauben zu belassen.
Daher ist dann der Handelsgegenstand (des Anbieters) in möglichst kleiner Schriftgröße Bestandteil ellenlanger Texte oder wird als "Systemvoraussetzung" deklariert, während der gefühlte Handelsgegenstand (des Konsumenten) sich in formschönen Pappschachteln, auf Datenträgern, nebst Gebrauchsanleitung befindet, und in der Höhe kleiner (oder großer) Elektrogeräte eingepreist ist.

Diese Irreführung ist sicher kein Versehen.
Man könnte ruhig einmal die Frage stellen, ob insbesondere die Einpreisung sich in den bisherigen Höhen halten ließe, wenn der eigentliche Handelsgegenstand, die vermeintliche Lizenz, sich in einem Riesenkuvert befinden würde, während der Datenträger als Zubehör beigelgt wird.

Steam als Vertriebsplattform setzt diese Historie der Konsumentenentrechtung heute fort. Genau genommen ist Steam eigentlich keine Vertriebsplattform für Software, sondern eine Leihbücherei.
Jedoch eine Leihbücherei unter ganz anderen Regeln als man sie noch aus Videotheken oder der Stadtbücherei kennen könnte.

Erinnert sich noch wer an die seligen C64er Zeiten? Man saß bei dem Freund zu Besuch der das Glück hatte so eine Daddelkiste zu besitzen und wartete, oft stundenlang, auf den Moment an dem man auch mal spielen durfte.
Das ist Steam.
Du darfst spielen. Wenn Steam will. Solange Steam dabei ist. Und Steam glaubt sich im Recht dir jederzeit den Zugriff auf deine Software zu verweigern, oder die Umstände dieser Nutzung verändern zu können.

Zudem möchte Steam dabei sein wenn Du die Software nutzt und für diesen Zweck auch von Dir bewirtet werden.
Aber man kann nicht behaupten das die Valve Corporation sich große Mühe gibt dies dem Benutzer in dieser Deutlichkeit zu erklären. Ganz im Gegenteil, denn irritierenderweise verwendet sie Begriffe wie "purchase" oder "get" anstelle des viel korrekteren "play", um dem Kunden zu suggerieren, er würde Computerspiele erwerben.

Das ist, so grob skizziert, das was man bedenken sollte wenn man für sich das Für und Wider eines Steamangebots abwägt.
Die neue Steigerungsform deiner Entrechtung an deinem Eigentum, und die Entscheidung ob dieses Geschäftsmodell durch deine Mitteilnahme, Blaupause für die Zukunft von Softwarevertrieb ist.

Nun ist es ja heutzutage kein Widerspruch, an allen Ecken und Enden Freiheiten einzufordern und dieselbigen für ein Appel und ein Ei wieder selbst daherzuschenken. Das gehört zu den Widersprüchen der Jetztzeit.
Es gibt eigentlich auch kaum etwas was man dazu noch wachrüttelndes zu sagen vermag. Würde das Gewaltmonopol auf genau dieselbe Weise gehandhabt wie das Eigentumsrecht, dann würde es allerhöchstwahrscheinlich auch nur die Wenigsten interessieren.
Und deswegen kommt es vermutlich auf kurz oder lang auch dazu.

Steam ist für den Verfasser dieser Zeilen jedenfalls nach gründlicher Überlegung keine Option. Nicht das ich mich niemals verkaufen würde - aber nicht so billig.
Und dasselbe gilt dann bedauerlicherweise auch für Softwarepublisher die ausschließlich über Steam vertreiben.
Ich wünsche mir eigentlich als Käufer nur faire Anbieter, transparente Handelsbedingungen und die Berücksichtigung meiner Rechte. Wer dazu nicht in der Lage ist, hat kein Geschäftsmodell das mich als Kunden gewinnen kann.

Nennen wir es einfach Verarsche, ohne das ganze Gesellschaftsbrimborium. Ich lass mich nicht gern verarschen. Ich weiß das andere das nicht so sehen. Die sich gerne verarschen lassen und meinen, sie würden weniger verarscht wenn sie sich bewusst verarschen lassen.
Ja, sehr cool. In etwa so cool wie der Schulhofspacko der sich darüber freut das die örtlichen Bullys in mit der Aufmerksamkeit ihrer Tritte bedenken.

Um diesen Unwillen zu überwinden bedarf es doch etwas mehr als nur die Erlaubnis etwas via meinem Linux spielen, bezahlen, aber nicht besitzen zu dürfen.

Trotzdem finde ich, hat Valves Engagement seine positiven Seiten, die weniger rigorose Gemüter sicher dazu bewegen könnten, einen Deal über Steam zu machen. Am Positivsten erscheint mir ganz einfach der Nachweis, das Gaming über LINUX funktioniert, so es denn jemand bedienen will.
Mehr auch nicht.

Ein Zukunftsmodell ist diese Form von Vertrieb jedoch sicher nicht - zumindest keine erstrebenswerte. Da Windows insgesamt betrachtet schon längst ein aussterbendes System ist wird noch eine unübersichtliche Vielfalt an Möglichkeiten geben, wie man an seinem Computer zum Daddeln kommt.
Von daher ist man auch gar nicht darauf angewiesen direkt beim ersten Sklavenverkäufer anzuheuern, der vorbeigeschippert kommt.






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